Die Mongolei
Ich habe leider nur einen relativ kleinen Umfang der Mongolei gesehen, die Hauptstadt Ulaanbataar und eine Gegend etwas 2 Stunden von dort entfernt in den Hügeln und Bergen. Mein erster Eindruck war: Sie lächeln! Nach den doch sehr ernsten Russen empfand ich es wundervoll und erfrischend die Menschen wieder freundlich und lächelnd zu erleben. Wir sind zu unserem Hotel gefahren und jeder konnte mindestens drei Bars, Restaurants oder Hotels mit Namen und Stil aus seiner Heimat finden. International, oder besser gesagt: Importiert. Im Supermarkt findet man Lebensmittel und Produkte aus der ganzen Welt, eingelegte Gurken und Würstchen aus Polen, Henkel-Shampoos und Deos, Französische Käse, Deutsche Süßigkeiten, Schweizer Schokolade, Produkte aus England, den Niederlanden, China und Russland. Alles ist importiert und damit auch Verhältnismäßig teuer. Das liegt daran dass der Boden in der Mongolei für Agrarkultur gänzlich ungeeignet ist, es kann nicht wirklich was angebaut werden. Lediglich Rinder, Schafe, Ziegen und Yaks fühlen sich pudel wohl auf den unendlichen Wiesen, sodass deren Fleisch und Milchprodukte den Kern mongolischer Nahrungsmittelproduktion bilden und im Verhältnis günstiger sind. Vegetarier sind hier schlecht bedient, bzw müssen viel blechen:)
Wir sind zunächst zum Hauptplatz dem Sukhbataar-Square gelaufen. Toller Platz! Sehr lebendig! Und wir hatten das Glück das dort die frisch graduierten Schüler und Studenten ihren Abschluss, und einige Brautpaar ihre Hochzeit feierten. So fanden wir fabelhaft aufgetackelte Frauen in bunten schicken Kostümen und Kleidern auf Highheels mit Blumen und Sektflaschen geschmückt, sowie mondäne junge Männer in tailliert geschnittenen schwarzen Anzügen und verspiegelten Sonnenbrillen für einen Haufen von Kameras posieren und showlaufen.
Sie sangen, feierten, ließen Sektkorken knallen, liefen für die Kameras in Reihen auf und ab, posierten in allen möglichen Varianten für die Kameras. Dazwischen all die Mütter, und Großeltern, stolz mit die geschenkten Blumen tragend und die Kameras bedienend. Besonders gerne wurde natürlich vor der majestätischen, grimmig drein guckenden Ghenghiz Khaan Statue posiert, die vor der Mitte des in Gold gefassten Regierungsgebäudes thront und den Platz bewacht.
Obdachlose sammeln Plastikflaschen, Inlineskater fahren enge Slalomlinien um bunte Hütchen, BMX-Biker springen stunts und rasend durch die Gegend, Fernsehteams halten mit dynamischen Kamerafahren alles fest und gestikulieren sich gegenseitig Befehle zu. Fabelhafte Atmosphäre.
Auf der Treppe des Regierungsgebäudes darf man allerding nur aufrecht sitzen, wie ich zurechtgewiesen wurde, sich mit den Armen an den oberen Stufen abstützen IS nicht! Rauchen is nich. Auf dem Platz auf dem Boden sitzen is nich. Eine weitere Übung für mich geduldig mit Zurechtweisung und Reglementierung umzugehen. Wieder was gelernt. Ich sollte öfter auf den Platz gehen und NICHT rauchen, NICHT auf dem Boden oder bequem auf den Treppen sitzen. Weiter gehts zu Fuß zu einem Theater um uns eine traditionelle Tanz-, Musik- und Gesangdarbietung anzusehen.
Ich war sehr skeptisch! Ich kann ja mit polnischer und deutscher Volkstuerrei überhaupt nix anfangen und es ist für mich immer ein Grund zum Fremdschämen, schlimmer, ich fühle mich auch noch fälschlicherweise irgendwie dafür verantwortlich! Aber so ist das mit dem was man gewohnt ist: Man weiß es nicht zu schätzen! Sieht man die Welt durch Fremde Augen, egal ob in Form der Begeisterung einer anderen Person, oder weil man selbst der Sache fremd ist, entdeckt man plötzlich Schönheit und kann so manch einen Tanz, ein Lied, ein Kostüm verstehen und begreifen und >>> TADAA: Wertschätzen!
Jedenfalls hab ich beim ersten Lied, ein altes traditionelles Nomadenliebeslied, geheult. Ich bin manchmal so ein Schwampf! Aber ich fand es wirklich so wunderschön! Ein toller Rhythmus, zarte und intensive Töne, leichte Höhen und dann dynamische Bässe! Fabelhaft! Zwei Damen spielten zwei unterschiedlichen Saiteninstrumente, das eine wurde gezupft, das andere mit kleinen Minihämmern „beklopft“ (Ich drücke mich grade total dämlich aus) „beschlagen?“, „gehauen?“, „gedingst?“ Gedingst! Passt. Es gab noch eine Art Chello- geige mit lediglich zwei Saiten und einem großen Bogen und einen singenden stattlichen Mann in kunstvoller Tracht. Ich war wirklich überrascht, ist halt doch anders als Lederhosen und Jodeln! Die Tänze waren ebenso fanszinierend, vom Gefühl her , denn ich kennen mich nicht wirklich mit Tanz aus, war es eine Mischung aus russischen Elementen, (mit an den Schultern festhaltender Reihe und „Knie hoch“ und so), und chinesischen oder Ostasiatischen Elementen, (wie Handgelenk- und Fingerspielchen, Augen klimpern, hinter den Händen verstecken und symmetrischen Armakrobatiken). Es wurden natürlich, wie so häufig, Liebesgeschichten dargestellt, (die ganze Welt dreht sich darum, verrückt!) aber auch Szenen aus dem Leben der Nomaden und Krieger, wenn ich das richtig interpretiert habe.
Die Gesangskünste sind ziemlich einzigartig für meine Begriffe,: Es gab da einen Sänger der wirklich-wirklich seeehr krasse Töne produziert hat! Keine Ahnung wo die raus kamen, aber sie hörten sich wie Instrumente an, also gar nicht mehr wie Stimme! Eher wie eine Tuba, und eine Oboe, und definitiv, wie meine australische Freundin mir bestätigte, wie ein Didgeridoo! Stimme! Wieder habe ich eine Lektion gelernt aus der Kategorie „Wozu der Mensch alles Fähig ist“ Danke sehr liebe Mongolei! Danke dass ich etwas wirklich-wirklich Neues erleben durfte und überrascht wurde! Danke für die Gefühlexplosionen aufgrund von Volksmusik! Legendär für mich. Danke.
Zuletzt gab es noch eine wahnsinnig laute Performance mit diesen lauten goldenen Tellern die aneinander geschlagen werden (Gott was hab ich für Bildungslücken, schlimm!) und Männern in kunstvoll aufwändigen Geisterkostümen und einem der als sowas wie Moses (sieht für mich so aus, sorry) verkleidet war und die alle gerufen, animiert und dann wieder verabschiedet hat. Faszinierend, Captain! So, Show ist zu Ende, raus geht`s zu Fuß durch die Stadt, Eindrücke sammeln, Menschen gucken, Architektur gucken.
Als Architektin fiel mir auf dass die Bauten ebenfalls ein Import aus Architekturstilen der halben Welt sind. Ursprüngliche Häuser sind die mongolischen Zelte sowie Holzhütten, und bei beiden spürt man sofort jahrhundertelange Erfahrung und Souveränität i n der Bau- und Gestaltungsweise. Sie sind ein wichtiger Teil der mongolischen Identität. Im Zuge der in den letzen Jahrzehnten fortschreitenden politischen Unabhängigkeit und wirtschaftlichen Entwicklung musste die Stadt Ulaanbataar sehr schnell „wachsen“. Das Wort ist deswegen in Anführungsstrichen weil es tatsächlich mit natürlichem Wachstum nichts zu tun hat. Man importieren einfach auch alle möglichen Baustile und baut und baut querfeldein, hier und da, so und so, mal ne Finka, mal einen sowjetischen Betonplattenbau, mal eine Hütte, mal eine biedere deutsche Doppelhaushälfte, mal eine Mischung aus Irgendwas mit griechischen Säulen und Walmdach, mit Rundbögen, spitz zulaufenden Fensterbögen, klassizistisch, gotisch anmutend, alles kunterbunt durcheinander wie ne gemischte Tüte im Tante Emma Laden in Wesseling 1993. Mitten im Nirgendwo findet man dann eine riesen Siedlung an seltsamen Einfamilienhäuschen eingerahmt in eine 3m hohe Betonmauer mit der Aufschrift „Happy Valley“ ….Ähm?! -Überhaupt finde ich es wahnsinnig witzig dass die überall im Nirgendwo Zäune aufstellen! Ich mein, wenn dieses Land etwas hat dann ist es definitiv PLATZ ohne Ende, und da mutet es doch wirklich skurril an, wenn plötzlich, mitten auf der Wiese ein 80m langer Zaun steht. Nur eine Seite versteht sich, nicht etwa vier, um etwas einzugrenzen oder so, Nö! Nur eine Linie von 80m Zaun. Ha! Toll, was?! Szene: Doppelhaushälfte mit römischen Säulen und Pilastern, in Zaun, plus mongolische Jurte im Vorgarten, neben Blockhaus mit lila Dach und Schiffscontainer. Yeah! 😀 Nebenbei bemerkt ist der Kleidungsstil dem sehr ähnlich.
Die ländliche Mongolei wiederrum ist einfach wunderschön in jeglicher Hinsicht! Nach tagelangen Birken sieht man plötzlich keine mehr! Nicht nur keine Birken, nein, gar keine Bäume! Kilometerlanges Auenland,
Wiesen in allen Grüntönen, Steppen und grün-beige, Hügel, weitausufernde Flüsse, grasende wilde Pferde und Yaks, Kühe und Schafe, meilenweite Sicht. Ein Paradies für das geschundene Auge wenn man aus der Stadt fährt. Und mich stark an einen riesigen Golfplatz erinnernd.:-D Dann wurde es bergiger, Bäume waren wieder zu sehen, Nadelbäume und Büsche und Sträucher und, was wirklich wunderschön ist, meilenweite Felder mit kleinen blauen Irisblumen! Dazwischen die mongolischen Jurten und grasende oder galoppierende Pferde, Yaks und Schafe. In dieser Gegen hatten wir die Möglichkeit in solchen Jurten zu übernachten.
Die Zelte sind sehr schlau gemacht: Sie haben ein stabile, kreisrunde Holzkonstruktion um Inneren mit Loch am höchsten Punkt das bei Bedarf geschlossen werden kann. Die Wände und das Dach werden mit dicker Schafs-und Yackwolle verkleidet und mit festen Stoffbahnen gebunden. Das Ding ist warm! Nachts fallen die Temperaturen auch im Sommer beträchtlich, sodass sicher gestellt werden muss dass der Ofen im inneren nicht umsonst beheizt wird und die ganze Wärme in nullkommanix wieder verschwindet. Die Jurten sind also gut isoliert und Windgeschützt. Am Abend habe ich es mir nicht nehmen lassen persönlich das Feuer im Inneren zu machen, gehört einfach dazu für ne alte Pfadfinderin:)
Nachdem wir unser kleines Gepäck im Zelt verstaut haben sind wir erst mal den nächsten Berg hinauf gestolpert um die fabelhafte Aussiecht zu genießen. Der Aufstieg wurde begleitet von einem würzigen, kräuterigen Duft und frischem Wind. Oben angekommen wurde mir zum ersten Mal bewusst wie ruhig und still es dort ist. KEIN Laut! Nur der Wind war zu hören wie er durch einen Baum auf dem Berg oben wehte. Nur der eine Baum und der Wind, das war alles was man hörte. Es war eine fabelhafte bewusste Erfahrung. Nach dem Abstieg und dem Essen sind wir zu einer Felsformation gefahren mit dem Namen „Turtle-Rock“. Erklärungen bezüglich der Form dürften überflüssig sein, hm? Tatsächlich sehr kraftvoll von außen anzusehen, entpuppte sich der Ausflug sogar als abenteuerlich und spannend da wir uns entschlossen haben diese Felsformation zu besteigen!
Rauf und runterkrackseln, etwas klettern, ausrutschen, einander festhalten und Tipps geben bis wir zu einer Felsspalte kamen die in mitten ihres magischen Lichtes einen kleinen natürlich Altar beherbergte, mit Gaben in Form von Geldscheinen und Süßigkeiten wie ich es von Bali her kenne. Zauberhaft! Dann haben wir beobachtet wie ein paar Einheimische durch eine noch viel schmalere Felsspalte im „Boden“ verschwanden und wir machten uns auf uns genauso durchzuzwängen. Lustig zu erwähnen dass dies, je nach Körperumfang, abenteuerliche Ausmaße annahm;) Als Belohnung erwartete uns eine absolut fabelhafte Aussicht zwischen den Felsen, hoch oben auf die grünen Wiesen samt Kühen und Pferden.
Die Pferde haben es mir wirklich angetan und ich bin immer noch absolut begeistert von dem Ausritt den wir dann unternommen haben. Im Jagdgalopp durch die Prärie trieben wir mit festen „cho!“-Rufen unsere Pferde an, die einen langsamer im Trab, ich so schnell und wild es meinem Pferd nur irgendmöglich war. Wahnsinn. Ein fabelhaftes Gefühl auf dem Rücken des Pferdes und all seiner Kraft und Freude zu reiten, den Wind zu spüren, die dumpfen festen Hufe auf dem festen grünen Boden der Mongolei. Mal abgesehen davon dass mir der Hintern noch heute weh tut.
Glücklich müde und geschafft wurden wir zu einer Nomadenfamilie in ihre Jurte eingeladen. Die ältere, sehr freundliche Dame begrüßte uns mit ihren beiden Enkelkindern und tischte Handgemachte Speisen auf. Käse, Joghurt, und drei weitere Dinge von denen ich keine Ahnung haben was das eigentlich war, aber alles probierte. Es war gut, schmeckte frisch, ländlich, selbstgemacht, natürlich und traditionell. Wunderbar, fernab jeglicher Touristen, mitten im Nirgendwo, im Grünen, zwischen skurrilen Felsen, wilden blauen und gelben Blumen und Rindern.
Am Abend nach dem Essen, was leider echt nicht der Rede wert war, hat unsere Guide-Frau angeboten die traditionellen Kleider anzuprobieren. Korrigiere mich wenn ich falsch liege, aber ich halte davon gar nix. Ich habe viel zu viel Respekt vor den Trachten dieser Kultur als dass ich sie, zum Spaß für ein Foto wie im Phantasialand, als Karnevalskostüm missbrauche. Find ich nicht gut. Sowas zu tragen muss man sich verdienen, meiner Meinung nach. Die anderen sahen es nicht so. Ich hab Fotos gemacht.
Zurück in der Jurte hab ich, wie schon erwähnt, das Feuer im Ofen entfacht und das Zelt wurde von einem zarten Knistern, kuscheliger Wärme und einem fabelhaften Duft erfüllt. Jetzt wüsste ich gerne welche Holzart das war, der Duft…. ich hab ihn noch in der Nase. Parfum. Macht Stimmung, so`n Zelt:) Schlafen konnte ich trotzdem nicht, weil ich darauf gewartet habe dass es endlich dunkel wird und ich mir den Sternenhimmel ansehen kann. Ich steh einfach auf Sterne. Mal ehrlich, wann wird einem mal bewusst dass wir uns tatsächlich grade, jetzt in diesem Moment, (nicht nur Nachts, nein!) mitten in einem unendlichen Universum befinden?! In Mitten von Milliarden furchtbar weit entfernten und sich in rasender Geschwindigkeit bewegenden Sonnen und Ihren Planeten und Trabanten. 7 Sternschnuppen hab ich gezählt und ich hatte keine Wünsche. Mehr noch, in dem Moment der ersten Sternschnuppe dachte ich sogar „Um Gottes Willen, wünsch dir blos nix, das macht alles nur kaputt!“ Die lebenden Sterne sollen für mich verantwortlich sein, nicht die erloschenen. Und sie sind es. Alle. Danke dafür:-)
Die Mongolen habe ich als stolzes, naturverbundenes, Volk erlebt. Sie haben eine reiche Geschichte und Kultur die noch gepflegt und gelebt wird. Die Zeiten Ghengiz Khaans sind allgegenwertig, alles scheint in irgend einer Form seinen Namen zu tragen, überall ist er abgebildet. Ich denke aber vieles hat sich in jüngster Zeit zu schnell und zu unkontrolliert entwickelt und die Mongolen hatten noch keine Zeit eine moderne Identität zu entwickeln und zu erkennen oder aufzubauen wer sie HEUTE sind.
Ich bin überrascht darüber wie ich manchmal reagiere. Szene: Weite Grüne Hügel und ein paar Felsformationen an deren Fuße Yaks grasen. Ich sitze im Auto mit meinen Kopfhörern und bin fast überwältigt von dieser Szenerie und unglaublich glücklich an diesem Moment teilzuhaben. Eine Glücksträne. Und dann denk ich: „Boah Marcela, du hast doch echt ein Rad ab! Was stimmt mit dir nicht?! heul doch nicht wegen zwei grasenden Yaks!!“ Echt jetzt! Wie wird es mit meiner Sensibilität in ein paar Monaten sein? Wird mich so etwas dann relativ entspannt lassen, oder werde ich schon anfangen zu heulen wenn ich nur ein Gänseblümchen sehe?! Ich bin einfach wahnsinnig glücklich darüber so einen Szene beobachten zu können in der einfach alles perfekt ist. Alles friedlich, wahr, ausbalanciert, harmonisch und richtig. Ich habe dann das Gefühl einer großen kosmischen Verbundenheit. Kein Ego. Nicht meins, nicht das Anderer. Es ist alles Gut.
Blablabla… genug davon:-D